Markus Thiele, Rechtsanwalt & Abogado (Spanien), Partner von ILP Global Mertens Thiele aus Köln, im Gespräch mit der Mittelstandsplattform mittelstand-koeln-bonn.de
Herr Thiele, ist es in Deutschland eigentlich mittlerweile nicht zu risikoreich, um noch Geschäftsführer oder Geschäftsführerin einer GmbH zu werden?
Geschäftsführer einer GmbH zu werden, ist sicherlich der falsche Job für risikoscheue Menschen. Schließlich gibt es für Geschäftsführer kaum ein brennenderes Thema als die Haftung mit dem Privatvermögen. Die Medien sind gerade wieder einmal voll damit. So wird es beim Corona-Ausbruch in den Tönnies-Werken oder beim Bilanzskandal bei der Wirecard AG sicherlich nicht zuletzt auch um die Frage gehen, ob die verantwortlichen Geschäftsführer oder Vorstände für die Schäden haften sollen. Auch wenn die mit einer Geschäftsführerstellung einhergehenden persönlichen Risiken somit durchaus real sind und keinesfalls unterschätzt werden sollten, lassen diese sich doch bei sorgfältiger und vorausschauender Handhabung von Seiten des Geschäftsführers erheblich eingrenzen und über weite Strecken beherrschbar machen.
Wieso schützt die GmbH nicht vor persönlicher Haftung des Geschäftsführers?
Erst einmal muss man sagen, dass diese öffentlichen Fälle die Haftungsrisiken verzerren. Jeder Geschäftsführer sollte natürlich wissen, welche Pflichten er hat und wann die persönliche Haftung greift. Unternehmer gründen genau deshalb eine GmbH, um die persönliche Haftung auszuschließen. Im Schadensfall haftet die GmbH nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Aber es gibt auch Ausnahmen. Jeder Geschäftsführer muss wissen, dass er ausnahmslos dazu verpflichtet ist, die Geschäfte der GmbH mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Falls er das nicht tut, haftet er der Gesellschaft für den entstandenen Schaden.
Gibt es noch Schlupflöcher?
Ja, der Gesetzgeber erlaubt auch Fehler, ohne dass eine persönliche Inanspruchnahme droht. Schließlich setzt wirtschaftliches Handeln naturgemäß das Eingehen von Risiken voraus. Sofern alle Weisungen oder Vorschriften der Gesellschafterversammlungen eingehalten worden sind, schützt die sog. Business Judgement Rule vor eigener Haftung, selbst wenn sich die Entscheidung im Nachhinein als fehlerhaft herausstellt. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung bezüglich derer der Geschäftsführer einen Ermessensspielraum hat sowie das Treffen einer solchen Entscheidung aufgrund einer angemessenen Informationsgrundlage. Zudem muss die Entscheidung zum Wohle der Gesellschaft und in gutem Glauben getätigt werden.
Welche typischen Haftungsrisiken gibt es denn?
Haftungsrisiken gibt es im Innen- und Außenverhältnis der Gesellschaft. Im Innenverhältnis haftet der Geschäftsführer nur gegenüber der GmbH selbst, sofern ihr durch sein Verschulden ein Schaden entstanden ist. In vielen Fällen geht es um persönliche Bereicherung wie z. B. private Reisen auf Kosten der GmbH, Einstellung von unqualifizierten Familienangehörigen oder überhöhte Geschäftsführergehälter. Jeder Geschäftsführer sollte auch wissen, dass er persönlich gegenüber den Finanzbehörden und den Sozialversicherungsträgern haftet. Gegenüber Dritten haftet er im Außenverhältnis, wenn er nicht ausreichend deutlich macht, dass er für die Gesellschaft handelt. Verzichtet er z.B. als Geschäftsführer einer UG aus Marketinggründen auf den Zusatz „haftungsbeschränkt“, so besteht die Gefahr der persönlichen Haftung. Besonders viele Risiken lauern auch in der Krise. Versäumt der Geschäftsführer bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Insolvenz anzumelden, kann er gegenüber den Gläubigern schadensersatzpflichtig sein.
Wie können sich Geschäftsführer vor diesen Risiken schützen?
In der Praxis besteht ein Hauptproblem darin, dass die Insolvenzreife einer GmbH nicht rechtzeitig erkannt wird. Deshalb hat jeder Geschäftsführer die Pflicht, die wirtschaftliche Situation der GmbH regelmäßig zu kontrollieren und gegenzusteuern.
Ansonsten sollten Gesellschafter und Geschäftsführer vor Abschluss eines Geschäftsführervertrages alle potenziell konfliktträchtigen Punkte offen ansprechen und versuchen, eine faire, ausgewogene Regelung zu finden. Die Befugnisse des Geschäftsführers im Innenverhältnis zur Gesellschaft sollten möglichst klar geregelt werden, ebenso wie die Ressortverteilung bei mehreren Geschäftsführern. Der Geschäftsführer sollte des Weiteren versuchen, eine Haftungsbeschränkung auszuhandeln. Auch die Errichtung eines Compliance-Systems kann vor persönlicher Haftung schützen. Schließlich ist auch der Abschluss einer D&O Versicherung, einer Vermögenschadenshaftpflichtversicherung die eine Gesellschaft für Ihre Organe und leitenden Angestellten abschließen kann und die diese sowohl gegen Ansprüche des Unternehmens (Innenhaftung) als auch Dritter (Außenhaftung) schützt, durchaus empfehlenswert.
Was gilt generell?
Gesetzliche und vertragliche Pflichten sowie Weisungen der Gesellschafterversammlung einhalten, in unklaren Situationen Weisungen der Gesellschafterversammlung einholen, ebenso wie fachlichen Rat vom Steuerberater und/oder Rechtsanwalt. All dies sollte in jedem Falle zumindest auch in Textform dokumentiert werden, damit der Geschäftsführer im Streitfall pflichtgemäßes Handeln beweisen kann.
Wir bedanken uns für das Gespräch Herr Thiele.